Die Eintagsfliegen in der Festung
"Ein
Schwarm Eintagsfliegen gelangte zu einer Festung, ließ sich auf den
Bastionen nieder, nahm im Handstreich den Hauptturm, besetzte den
Wehrumgang und die Türme. Die feingeäderten, durchsichtigen Flügel
schwirrten zwischen den steinernen Mauern.
"Vergebens bemüht ihr
euch, eure filigranen Glieder zu strecken", sagte die Festung. "Nur wer
zum Dauern geschaffen ist, kann behaupten, zu sein. Ich dauere,
also bin ich; ihr nicht." - " Wir bewohnen den Luftraum, wir skandieren
die Zeit mit dem Vibrieren unserer Flügel. Was sonst hieße denn sein?",
antworteten die zarten Geschöpfe. "Eher bist du doch bloß eine Form,
hingestellt zur Bezeichnung der Grenzen des Raums und der Zeit, in denen
wir sind."- "Die Zeit geht über mich hin: Ich bleibe", beharrte die
Festung. "Ihr streift nur die Oberfläche des Werdens wie den
Wasserspiegel der Bäche."
Darauf die Fliegen: "Wir huschen durchs
Leere so wie die Schrift übers weiße Papier und die Flötentöne durch die
Stille. Ohne uns bleibt nur die allmächtige und allgegenwärtige Leere,
die so schwer ist, daß sie die Welt erdrückt, die Leere, deren
vernichtende Kraft sich mit kompakten Festungen überzieht, die massive
Leere, die nur aufgelöst werden kann durch das Leichte und Schnelle und
Feine." (Italo Calvino, Die Eintagsfliegen in der Festung aus
Gesammelter Sand)
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